Die Composition #7 aus dem Jahre 1960 von La Monte Young hat mich schon immer unglaublich fasziniert. Meine armen Schüler lernen sie meistens dann kennen, wenn wir ein bisschen minimal music hören und spielen wollen [oder will ich das und die sollen? – okay, anderes Thema …]. Dazu erzähle ich meistens folgende Geschichte, die ich erstmals im Buch Durch Musik zum Selbst von Peter Michael Hameln gefunden habe.
Ein Mann besaß ein Cello mit (nur) einer Saite, über die er stundenlang den Bogen führte, die Finger immer auf derselben Stelle haltend. Seine Frau ertrug diesen Klang sieben Monate lang, in der geduldigen Erwartung, dass der Mann entweder vor Langeweile sterben oder das Instrument zerstören würde. Da sich jedoch weder das eine noch das andere ereignete, sagte sie eines Abends in sehr sanftem Tone: „Ich habe bemerkt, dass dieses wundervolle Instrument, wenn es andere spielen, vier Saiten hat, über welche der Bogen geführt wird, und dass die Spieler ihre Finger ständig hin- und her bewegen.“ Der Mann hörte einen Augenblick lang auf zu spielen, warf einen Blick auf seine Frau, schüttelte das Haupt und sprach: „Natürlich bewegen sie ihre Finger hin und her. Sie suchen den richtigen Ton. Ich habe ihn gefunden.“ Armenische Fabel
composition #7 sine
Man könnte die Komposition als eine der urtümlichsten der sogenannten minimal music bezeichnen, ist sie doch in ihrer Reduzierung auf zwei – in einer Quinte – gleichzeitig erklingenden Töne, auf das Wesentliche beschränkt. Das Internet hat viele Beispiele für das Stück gesammelt. Was mir erst neulich dazu aufgefallen ist: Young benutzt das hashtag Zeichen # in aller Voraussicht, ohne zu ahnen, dass dieses Zeichen eines der bedeutendsten Zeichen der aktuellen Jugendkultur werden würde, denken wir beispielsweise nur mal an die Verwendung beim social media Dienstleister instagram.
Als Studenten führten wir in einem Kurs folgendes akustisches Experiment durch: Wir haben die beiden oben abgebildeten Töne mittels eines Modularen-Synthesizers als Sinuswellen ausgegeben und 20 Minuten erklingen lassen. Sinuswellen kommen in der Natur isoliert nicht vor. Eine Sinuswelle muss immer elektronisch erzeugt werden. Jeder in der Natur vorkommende Ton ist eine Mischung aus verschiedenen Sinustönen und ergibt eine periodisch wiederkehrende Welle, die einen Klang formt. Sie folgt den Gesetzmäßigkeiten der Obertonreihe. Sind Klänge aus nicht periodischen Wellen zusammengesetzt, sprechen wir von einem Geräusch.
Die beiden Sinustöne sollten sich die Kursteilnehmer anhören und danach ihr Hörerlebnis beschreiben. Nicht wenige waren der Auffassung, dass sich der Klang der Töne im Laufe der Zeit verändert hätte. Manche meinten, der Klang wäre voller geworden, hätte Varianten gezeigt, hätte sich irgendwie verändert. Jedoch, dem war physikalisch nicht so. Es zeigt sich, dass das Hörerlebnis immer ein psychisches Erlebnis bleibt, Musik entsteht in unserem Kopf. Mit ein Grund dafür, warum manche Zuhörer minimal music nervig finden, andere empfinden sie sehr angenehm.
Wir können in diesem Beitrag drei Varianten der Komposition hören. (Die erste Version findet sich weiter oben.) Die ersten beiden Aufnahmen wurden direkt mit der schon oft erwähnten Laufzeitumgebung sonic pi generiert. Ich habe den code in einem sonic pi Forum gefunden und leicht variiert. Die erste Version rechnet mit Sinuswellen. Die zweite Variante benutzt einen komplexeren Sound, der ein bisschen moduliert wird. Es folgt der Code in sonic pi.
# coded by MrSkeletal adapted by falk
with_synth :sine do
with_fx :ixi_techno, phase_offset: 0.2, phase: 44 ,res: 0.6 do
play :b3, amp: 2, attack: 25, release: 1000, pan: -0.8
play :fs4, amp: 2, attack: 25, release: 1000, pan: 0.8
end
end
composition #7 dark ambience
Die dritte Variante verwendet acht verschiede Klangfarben. Zwei davon sind Sinuswellen, die anderen Klangerzeuger sind verschieden Padsounds, die in ihrer Lautstärke variiert werden.
composition #7 pad version
Das Beitragsbild habe ich in der Disco des letztjährigen 35C3 Computerkongresses in Leibzig fotografiert.